Ekumfi ist mit etwa 60.000 Einwohnern eine von Ghanas 16 Regionen. Auf Basis des holistischen Modells arbeitet Global Brigades mit 31 Dorfgemeinschaften zusammen, um gemeinsam medizinische Grundversorgung, sauberes Wasser, sanitäre Anlagen, sowie gemeinschaftsinterne Finanzverwaltung und wirtschaftlichen Fortschritt zu ermöglichen. Während unseres Aufenthalts verbesserten wir die Infrastruktur in zwei dieser 31 Dorfgemeinsachaften: Suprudo und Ekumpoano.
Die Brigade
Wo fra me… (Ich heiße…)
Einige Stunden von der Hauptstadt Accra entfernt liegt das kleine Dorf Suprudo. Bevor wir das erste Mal in die Dorfgemeinschaft fuhren, lernten wir Höflichkeits- und Begrüßungsfloskeln in dem lokalen Dialekt Fante, mit unseren beiden Koordinatoren (und auch Dolmetschern) John und Rocky. Daraufhin wurden wir, wie es Tradition in Ghana ist, den Dorfältesten und den Familien vorgestellt und erklärten ihnen unser Vorhaben. Innerhalb der kommenden Tage würden wir gemeinsam mit drei Haushalten Biodigester-Systeme bauen, die bei kontinuierlicher Reinigung und Wartung bis zu 30 Jahre verwendet werden können.
Nach einer Veranschaulichung der technischen Funktionsweise des Biodigesters durch den Public Health Manager, lernten wir in Gruppen unterteilt die Familien kennen, mit denen wir arbeiten würden und bekamen einen Eindruck von ihrem Alltagsleben. Ein Großteil der ruralen (analphabetischen) Bevölkerung in Ghana ist abhängig von Landwirtschaft, während 91 % dieser keinen Zugang zu sauberen Sanitäranlagen hat. Am ersten Abend reflektierten wir gemeinsam über den Tag und unsere ersten Eindrücke.
Am Tag darauf fing die Arbeitsphase an. Begleitet von neugierigen Kindern, den Familien, einem Dolmetscher und einem ghanaischen Handwerker pro Team starteten wir den Bau der Biodigester.
„Was magst du am liebsten an deiner Arbeit?“ fragten wir den Handwerker bei einer kurzen Trinkpause. „Jedes Mal, wenn ich ein Projekt beende, weiß ich, dass es oft genutzt werden wird. Darauf bin ich stolz.” Als deutsche Studierende und Büroangestellte, war dieses Gefühl, etwas mit seinen eigenen Händen zu bauen, recht neu für uns.
Am zweiten Abend war Kreativität gefragt: wir bereiteten die Charla (Hygiene-Workshop für die Einheimischen) in unseren Gruppen vor, um am dritten Tag nach Vollendung der verschiedenen Kammern des Biodigesters (Erklärung im nächsten Kapitel) mit unseren Plakaten und Bildern unseren jeweiligen Familien die Benutzung und Pflege der Biodigester Toiletten vorzustellen.
Was haben wir vor Ort gebaut?
In Suprudo haben wir ein Biodigester-System gebaut, welches als Auffangbehältnis der Exkremente für die sich im Haus befindlichen Toilette dient. Durch das manuelle Spülen mit Wassereimern gelangen die Exkremente in diese Vorrichtung. Der Biodigester ermöglicht die hygienische und nachhaltige Lagerung und Zersetzung von Exkrementen, bei der keinerlei Kosten, z.B. für professionelles Abpumpen entstehen. Weiterhin verhindert ein Biodigester die Verschmutzung des Grundwassers und dämmt die Verbreitung von Krankheiten ein.
Unter Anweisung eines lokalen Handwerkers richteten wir die Ziegel in der bereits ausgehobenen Grube kreisförmig an. Ein wesentlicher Teil der Arbeit bestand auch im Mischen des Mörtels, der für die Mauern der Kammern benötigt wurde. Um die korrekte Neigung der domförmigen Biodigester-Kammer zu bestimmen, wurde beim Ansetzen der Ziegel eine Holzstange verwendet. Die zweite, kleinere Kammer, verbunden mit der ersten durch ein Steigrohr, wurde mit dem gleichen System errichtet.
Die dritte, rechteckige Filtrationskammer wurde mit größeren Zementblöcken hinter der zweiten Kammer platziert und mit dieser verbunden. Zuletzt wurden alle Kammern von innen sowie außen mit feinerem Mörtel abgedichtet und mithilfe von Betondeckeln verschlossen.
Das in der dritten Kammer gesammelte Wasser kann nun direkt ins Grundwasser versickern, da der Boden, im Gegensatz zu den anderen Kammern, nicht zementiert wurde. Abschließend wurde das fertiggestellte Biodigester-System mit Sand und Erde zugeschüttet, sodass nur noch der Deckel des Biodigesters auf Bodenebene sichtbar war.
Wie funktioniert ein Biodigester-System?
Der Biodigester besteht aus drei miteinander verbundenen Kammern unterschiedlicher Größe und Funktion. Ziegelsteine sind das Grundgerüst der Kammern. Betondeckel und Mörtel verschließen diese luftdicht. Die Exkremente werden in die erste große, runde Kammer mit ca. 2 m Tiefe und 1,50 m Durchmesser geleitet. In der zweiten, kleineren Kammer in ca. 1 m Tiefe (verlängert die Reaktionszeit der Mikroorganismen) zersetzen verschiedene anaerobe Bakterien die Biomasse in insgesamt vier Schritten zu Methan (CH4) und Wasser (H2O). Das Wasser fließt zuletzt durch die dritte Filtrationskammer, welche mit Kohle und Steinen gefüllt ist und versickert schlussendlich gereinigt in der Erde.
“33.99 % of rural population is without access to basic or safely managed drinking water source“ (Global Brigades 2020).
Global Brigades arbeitet mit GWCl (Ghana Water Company) zusammen, um dieses Risiko zu vermindern und den Zugang zu sauberem Wasser in den Dorfgemeinschaften zu erleichtern. In Ekumpoano (4.000-5.000 Einwohner) verfügen bereits viele Haushalte, dank mehrerer Public Health Brigades, die in der Vergangenheit durchgeführt wurden, über Zugang zu sanitären Anlagen. Zugang zu fließendem Wasser ist an einigen zentralen Orten durch einige bereits vorhandene Standpipes schon gegeben, jedoch reichen diese für den Gesamtwasserbedarf nicht aus. Daher verbanden wir innerhalb von zwei Tagen die katholische Schule und das katholische Missionarshaus, das Haus der Dorfältesten und das Haus des methodistischen Priesters mit der Hauptwasserleitung und schafften so mehr Zugang zu fließendem, sauberen Wasser. Im Zuge dessen informierte uns der Water Manager von Global Brigades über die Art und Weise der Verlegung von Wasserleitungen.
Zudem lernten wir, dass die Wasserversorgung in Ghana privatisiert ist.
Auch für diesen Teil der Brigade bereiteten wir wieder eine Charla vor, um am nächsten Tag in kleinen Gruppen an allen vier Örtlichkeiten (kathol. Schule und Missionarshaus, Haus des Dorfältesten und Haus des methodistischen Priesters) über Hygiene und Händewaschen zu informieren. Dafür thematisierten wir u.a. folgende Fragen: Was sind Ursachen für kontaminiertes Wasser? Wie verhindert man Wasserverschmutzung? Wie funktioniert richtiges Händewaschen?
Dafür erklärten wir unter anderem mit im Vorfeld besorgten Mikroben in Kuscheltierform, wie sich Bakterien ausbreiten. Eine Studie der WHO hat zum Beispiel bestätigt, dass 842 000 Diarrhöe (Durchfall) Krankheitsfälle weltweit mit kontaminiertem Wasser zusammenhängen. 50 % der dadurch entstehenden Todesfälle könnten durch Zugang zu sauberem Wasser verhindert werden. (Vgl. WHO 2014) Viele Dorfgemeinschaften in Ghana haben ein großes Problem mit Krankheiten, die durch mangelnde Hygiene beim Umgang mit Wasser und Exkrementen verursacht werden. Wir hoffen, zur Beseitigung dieser mit unseren Projekten und Vorträgen beizutragen.
Für die vier Gebäude (kathol. Schule und Missionarshaus, Haus des Dorfältesten und des Priesters) wurde jeweils eine Standpipe benötigt.
Die Wasserleitungen dieser Anschlüsse wurden jeweils mit der Hauptleitung verbunden. In Zusammenarbeit mit Mitgliedern der Dorfgemeinschaft wurden ca. 0,5-1,50 m tiefe Gräben ausgehoben. Wir halfen zuerst beim Ausheben dieser notwendigen Gräben und verlegten anschließend die Rohrsysteme zur jeweiligen Wasserentnahmestelle bzw. verbanden kurze und längere Rohre in den Gräben mithilfe eines Spezialklebers. Mithilfe von Teflonband wurden die Gewinde der Wasserhähne abgedichtet und mit dem Plastikrohr durch diesen speziellen, dichtenden Klebstoff verbunden. Der Wasserhahn wurde oben auf einem mit Zement gefülltem Rohr platziert, damit er frei stehen kann. Um das Rohr nun mit der Hauptleitung zu verbinden musste diese zunächst angezapft werden. Mit Hilfe eines T-Rohrs und einer Winkelverschraubung wurde nun ein neuer Anschluss an die bestehende Kaltwasserleitung eingebunden und wieder mit Teflonband und Klebstoff von uns verdichtet. Der zuständige Ingenieur führte eine Druckprüfung durch, um zu garantieren, dass die Leitungen und Verbindungen dicht sind. Am Ende schaufelten wir die Gräben wieder zu.
Global Brigades regte uns vom ersten Tag dazu an, so viele Fragen zu stellen, wie nur irgendwie möglich. Immer wieder hatten wir die Möglichkeit, mit den Leuten vor Ort zu sprechen und lernten dabei viel über Land, Leute und Kultur. Ghana ist seit 1957 unabhängig und nimmt eine Vorreiter-Position in West-Afrika ein, was politische Stabilität und Sicherheit angeht. Historisch hat Ghana ein dreifaches Handels-, und Kolonial-Erbe: Westliche, christliche Ideologien und arabische, islamische Ideologien gemischt mit der traditionellen Religion der Vorfahren ergeben eine postkolonialen Melange aus religiösen und kulturellen Einflüssen auf die Gesellschaft.
Wie die meisten afrikanischen Staaten, ist auch Ghana ein multireligiöses Land. Mindestens 70% der Ghanaer bekennen sich zum Christentum und gehören einer Kirche an, annähernd 20% zum Islam, und auch traditionelle Religionen, verkörpert durch Könige und Chiefs, spielen nach wie vor eine gewichtige gesellschaftliche Rolle im Leben der Ghanaer. (liportal 2019) Wir kamen zu einer sehr interessanten Zeit nach Ekumpoano: Es war das letzte Wochenende des Ahnenfestivals, welches vom 26. Oktober bis 7. Dezember gefeiert wird (ähnlich unseres Totensonntags). Ausführlich erklärte uns der Dorfvorsteher jeden einzelnen Tag dieses Festivals und was es für sie bedeutete. Es ist ein Festival des Erinnerns und der Gegenwart gewidmet. In Gedenken derer, die die Dorfgemeinschaft in ihrem Leben positiv beeinflusst haben der Götter, gibt es einen Tag der Stille.
An einem anderen Tag findet eine Zählung aller Familien statt, es gibt einen Kindermarsch, einen Kanuwettbewerb am Meer, einen Tag des Putzens der Ortschaft, einen Tag der Streitschlichtung und vieles mehr. Nicht nur Anhänger der traditionellen Natur-Religion nehmen an den Festivitäten teil. Wenn auch vielleicht nicht mit derselben Ausgelassenheit gesellen sich auch Christen und Muslime dazu. “Religion for me is not only about God, it is about fellowship“, sagte der Priester der methodistischen Kirche in Ekumpoano, an dessen Haus wir eine Wasserleitung gelegt hatten. Konvertieren von Christentum zu Islam sei ohne weitere Probleme möglich, in den meisten Dorfgemeinschaften koexistieren alle drei Religionen nebeneinander – friedlich. Im Dialog mit dem Priester sagten manche von uns ehrlich, dass sie gar nicht an Gott glauben, auch das wird mit einem warmen Lächeln toleriert. Reverend John Ady-Beratens hatte ein offenes Ohr für uns alle. “Akwaaba. It’s all about love, brothers and sisters and kindness to everyone”, sagt er und hoffte, dass wir das gefühlt haben. Wir nickten, in Ghana fühlten wir das mehr als irgendwo sonst.
„Whatever happened has happened. We can’t change it. But we can make a change today and that is also what we have to blame ourselves for.” Wir standen im ehemaligen Zimmer des Kommandanten von Cape Coast Castle, dem Knotenpunkt des transatlantischen Sklavenhandels am Morgen vor unserem Abflug, als wir diese Worte aus dem Mund unseres Tourguides hörten. Auch von Gesprächen mit den Dorfältesten und unseren Betreuern kam heraus, dass antibritische Haltungen kaum existieren. Dies scheint das Ergebnis einer Studie der BBC zu bestätigen: 78% der Bevölkerung stehen Briten positiv gegenüber, nur 9% negativ (die übrigen 13% neutral) (BBC 2014). Hat also Ghana Sklaverei, die vielen Jahre der kolonialen Ausbeutung und alle damit verbundene Traumata aufgearbeitet?
Man hat zumindest das Gefühl, dass die Antwort ja ist. Das einzige Vorurteil, das weit verbreitet gegenüber Oburonis (=Ausländer) generell existiert, ist, dass wir reich sind. “I’m an Alien in Deutschland” heißt das Buch von Prof. Dr. Erhabor Sunday Idemudia aus Nigeria, der dort die Ergebnisse seines Forschungsprojekts zu afrikanischen Migranten in Deutschland zusammenfasst und auf diesen Titel für sein Buch stoßen musste. Wir haben uns am Ende nicht mehr wie Aliens auf einem fremden Planeten gefühlt – im Gegenteil. Wir waren Menschen. Einfach auch nur Menschen.
„Are you coming back?“, fragte uns der Reverend, kurz bevor wir Ekumpoano verließen. „Matse(Ja),“ sagten wir einstimmig.
Meh-Dah-si pah -paa-paa (Vielen Dank!) (Global Brigades) Ghana und insbesondere ein großer Dank an unsere großzügigen Spender, die uns Teilnehmern aber vor allem den Beteiligten in Ghana all dies ermöglicht haben.
Odo ma wunu – Otan inyi yenmo “Love for all – hatred for none” - Fante Sprichwort